Moderne Nomaden

Literatufestival Berlin

Arno Widmann im Gespräch mit Pico Iyer (GB/Japan) und Abdourahman Waberi (Dschibuti/F) über Ortlosigkeit und Heimat in Zeiten der Globalisierung.

Das Publikum

Junge Schweizer sitzen neben mir, erzählen über ihre Theaterefahrungen in Berlin „es isch es fil gwes und es goat ueben dyp“.

Der Einheizer

Ein junger Mann auf dem PC spielt elektronische Musik, wehend, rauschend, tackernd, Abendstimmung

Abdourahman Waberi

lächelt beim Sprechen jungenhaft, herzerweichend. Sein neuestes Buch (bisher nur in franz., erste Teile werden ins deutsche übersetzt) über die „Vereinigten Staaten von Afrika“, die Menschen fliehen aus Europa (z.B. aus den Vororten von Zürick), vor Sinnlosigkeit und Arbeitslosigkeit nach Afrika.

Schau in den Spiegel – ein Nomade

Waberi erklärt, der klassische Nomade und der moderne Nomade unterscheiden sich: der moderne Nomade klammert sich an die Zukunft, der klassische ist an eine Tradition gebunden. »Ich komme aus einer Gegend wo Nomade sein selbstverständlich ist. Mein Großvater war noch Hirte und Nomade. Ich bin ein Nomade des Geistes.« Aber das Nomadentum sollte nicht romantisch verstanden werden, sondern ist mit Schmerzen verbunden.

Pico Iyer

»Ein Zuhause schaffen ohne eine physische Heimat zu haben«. Iyer geht viermal im Jahr ins Kloster um zur Ruhe zu kommen, ansonsten ruhelos, aber nur in der Ruhe ist es möglich kreativ zu sein.

Arno Widmann

»Ich komme mir neben ihnen (Waberi/Iyer) vor wie eine Topfpflanze.«

wabari
Waberi | Widmann | Iyer

Schwarzwälder Nomaden?

Waberi: »Früher wurde man in einem Dorf im Schwarzwald geboren und dort begraben. Wir brauchen jetzt (für das moderne Nomadentum) eine neue ethische Kultur des Kosmopolitismus

Das nomadische Kaufhaus

Iyer »Ich kam gestern Abend in Berlin an und das erste was ich tat war ins KDW zu gehen. Dort sah ich als erstes eine Zeitschrift, die sich mit Bolywood beschäftigte und vor dem KDW ein Thai-Restaurant.« Den Kosmopolitismus sieht man im Idealfall an jeder Ecke (z. B. in Berlin).

das Internet

Im Internet entwickelt sich eine Art andere Gesellschaft, mit dem Hunger nach Gemeinschaft – auch nach Tradition. Zum Beispiel sind die Nomaden der Wüste die kleinstmöglichste Form einer Gesellschaft, um zu überleben. Vielleicht sollte auch unsere Gesellschaft diese Form als Vorbild nehmen.

Ein Zuhörer (aus Korea)

»Vielleicht müssen wir Heimat neu erfinden, wir haben die (Heimat) ‚Mutter‘ verloren im Zuge der Globalisierung, dieses menschliche Grundbedürfnis.« Und warum lebt Iyer in Japan, die Japaner sind intolerant und er finde dort garantiert keine Heimat. Sucht Iyer vielleicht gar keine Heimat sondern die Heimatlosigkeit?

Die Welt in Dir

Iyer
»Heimat ist z.B. ein Partner und Heimat ist etwas, das ich bei mir habe.« Und Japan sei wirklich eine sehr ausgrenzende Gesellschaft (er lebt seit 15 Jahren dort), aber dort habe er wenigstens das Gefühl von Kontinuität (Iyer ist eigentlich Inder, seit einigen Jahren mit amerikanischem Pass) und das ich dort ein Außenseiter bin ist mir klar, ich stehe draußen. Aber in Japan wollte ich lernen: zu schweigen, Zuzuhören.

Schwarze in Japan

Waberi
»Ich war zehn Tage in Japan, Geschlossenheit, Ausgeschlossenheit. Schwarze existieren nicht für Japaner. Und ich habe auch nicht behauptet, das es leicht ist heimatlos zu sein. Wir sollten dafür aber eine neue Ethik finden.«

Alle Menschen haben Fragen

Iyer
Man muss sich in die fließende Gemeinschaft begeben, in die mobile Gesellschaft. Deshalb kommen vielleicht immer mehr und mehr Menschen in die Großstadt. Nicht um dort Antworten zu finden sondern Menschen mit den gleichen Fragen.

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